Preispsychologie im Internet
Psychologie des Preises – Auch im Online-Geschäft ein Thema
Der Preis ist nach wie vor eines der dominanten Entscheidungskriterien wenn es darum geht sich für oder wider ein Produkt zu entscheiden. Und auch für die Anbieterseite ist das Pricing ein strategisch gewichtiges Aufgabengebiet. Neben dem absoluten Preis ist hierbei auch der relative Preis zu anderen, gleichwertigen Produkten und auch zu einem fiktiven Preismodell hin mitentscheidend.
In diesem Artikel wollen wir auf die psychologischen Komponenten der Preisbildung allgemein und auf deren Wirkungen und Bedeutung im und für den Online-Handel im speziellen eingehen. Nur am Rande soll hingegen auf die Möglichkeiten der Dynamisierung von Preisen oder auch rechtliche Rahmenbedingungen eingegangen werden. Die Psychologie jedoch bildet unseren Fokus.
Bedeutung der Preispsychologie im Online-Handel
Verliert man potenzielle Abschlüsse an der Schwelle zum Kauf, dann, wenn der Kunde die Phasen der „Awareness“ und „Consideration“ eigentlich bereits erfolgreich durchschritten hat nur, weil man grundlegende psychologische Gesetze missachtet oder schlicht und ergreifend nachweislich erfolgreiche Preisstrategien nicht berücksichtigt, ist dies natürlich ärgerlich. Somit ist dieser Artikel auch primär für all diejenigen von Interesse, für die Preisfindung und Preisgestaltung zum täglichen Brot gehören.
Für alle andern, die sich nicht mit der Preisgestaltung für Produkte, Dienstleistungen, Leistungsbündel etc. herumschlagen (müssen) ist dieser Artikel aber möglicherweise ebenso interessant. Interessant deshalb, da der Handel über faszinierende und teils faszinierend simple Hebel verfügt, mit denen man im Offline und natürlich auch im Online-Sektor zu punkten versucht und auch tatsächlich punkten kann.
1. Psychologische Preisschwelle – Schwellenpreis
Der erste Mechanismus den wir – kurz, da hinlänglich bekannt – nennen wollen, ist der Schwellenpreis oder auch gebrochene Preis. Dieses Phänomen, dass die meisten Preise am „Rande der psychologischen Preisgrenze“ angesetzt werden dürfte den meisten wie erwähnt hinlänglich bekannt sein.
Wann trifft man schon mal auf einen Preis von € 1,- ? OK dies mag auf das ein oder andere Produkt bei Fastfood-Anbietern zutreffen. Meist wird es aber ein Preis von 99 Cent sein. 0,99 erscheint uns als Verbraucher im Vergleich zu € 1,- einfach günstiger. Der Effekt auf die Nachfrage ist nachweislich. Schwellenpreise von 1,-, 5,- 100,- Euro werden deshalb vom Einzelhandel und auch im Online-Handel gemieden. Der Schwellenpreis unterschreitet solche Grenzen meist um exakt einen Cent. Man spricht bei dieser Preisgestaltung deshalb auch vom dominanten Preis.
2. Zahlenfolge
Das Phänomen des Einflusses der Zahlenfolge ist vielen weitaus weniger bekannt oder gar unbekannt. Bei diesem Phänomen ist nicht die psychologische Schwelle (die unterschritten bzw. nicht gerissen wird) entscheidend sondern vielmehr die Reihenfolge der einzelnen Ziffern. Um es zu veranschaulichen: Welchen der beiden nachfolgenden Preise finden Sie sympathischer?
Vermutlich ist es der linke Preis. Der linke Preis mit der abfallenden Zahlenreihe wird im Vergleich zur aufsteigenden Reihenfolge günstiger empfunden. Der eigentliche Preisunterschied ist hingegen gering. Er macht gerade einmal 0.5 Prozent aus. Dennoch würde der linke Preis deutlich öfter akzeptiert werden. Nun mag man geneigt sein zu sagen ja natürlich – ist ja auch günstiger! Wenn aber der rechte Preis in nehmen wir an 50 Prozent der Fälle als inakzeptabel angesehen werden würde, der linke lediglich in 30 Prozent der Fälle, so könnte diese Diskrepanz sicherlich nicht auf diesen minimalen Preisunterschied zurückgeführt werden.
Zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugen im übrigen Preise, die aus einer Folge gleicher Zahlen bestehen. Etwa ein Preis von € 22,22 oder eben auch € 99,99. Hierbei werden spezielle Bereiche des Gehirns aktiviert. Im Falle der € 99,99 Euro vereinen sich dann der Effekt des Schwellenpreises und dieser sogenannte Figureneffekt.
Vor allem der Schwellenpreis, aber auch der Hebel der abfallenden Zahlenfolge haben sich auch im Online-Handel bereits durchgesetzt.
3. Eckartikeleffekt
Beim sogenannten Eckartikeleffekt nimmt der Anbieter über die Auslage weniger, besonders günstiger Produkte eine Art Schnäppchentransfer auf die umliegenden Produkte vor. Konkret wird ein nicht nur relativ sondern meist tatsächlich sehr günstiges oder recht starkt rabattiertes Produkt unter den ansonsten normalpreisigen Produkten platziert. Kundenseitig erfolgt nun eine teilweise Fehlinterpretation: Wenn das eine Produkt so günstig ist – dann werden die anderen Produkte schon nicht übermäßig teuer sein.
Diese im stationären Handel weit verbreitete Vorgehensweise kann und wird natürlich auch auf das Onlinegeschäft übertragen, wobei meist sehr prominent ein stark rabattiertes oder grundsätzlich günstiges Produkt im Shop auf der Startseite und gerne auch auf den Produkt-/ Kategorieseiten zusätzlich feil geboten wird.
4. Snobeffekt
Zielt der Eckartikeleffekt auf den natürlichen Trieb des Konsumenten ab, bevorzugt auf Schnäppchenjagd zu gehen, so ist der Snobeffekt grundlegend anders gelagert. Hierbei tritt ein irrationales Verhalten des Konsumenten in der Form auf, dass ein Produkt nur dann gekauft wird, wenn der Preis über einem gewissen Niveau liegt und sich dementsprechend von Konkurrenzprodukten abhebt.
Wer ein solches Produkt kauf, nimmt den hohen Preis nicht nur bewusst in Kauf. Ein niedrigerer Preis würde unter Umständen vielmehr dazu führen, dass der Kauf nicht erfolgen würde, da sich das Produkt dann wohl eine zu große Masse an Menschen leisten könnte. Der gewünschte Snob-Value, also die Fähigkeit sich über den Kauf des Produktes von anderen Konsumenten gezielt abzugrenzen, wäre dann nicht mehr gegeben.
Im Online Handel wird auch diese Preisbildungsstrategie teils gezielt genutzt. So ist bekannt, dass einige Anbieter von qualitativ hochwertigen Produkten diese zwar einerseits über Online-Vertriebsstrukturen veräußern, welche einen hohen Preis nicht rechtfertigen können, gleichzeitig aber eigene Shops unterhalten, die sich gezielt an Kunden wenden für die ein hoher Preis ein Abgrenzungs- und damit Entscheidungskriterium darstellt. Diese Strategie ist natürlich auch in der Offline Welt durchaus bekannt. Dort wird gerne zweigleisig gefahren: Beim Discounter wird ein Produkt unter anderem Namen günstig angeboten – über den den hauseigenen Vertrieb hingegen der höhere Preis für das „Original“ verlangt.
5. Verknappungseffekt
Sie kennen bestimmt diese ominösen Zähler auf diversen Homeshoppingkanälen im TV, die einem erzählen wollen „mach schnell – das Produkt wird super nachgefragt und es sind nur noch 89, oh nein nur noch 84 verfügbar“. Die Konsumenten werden hierdurch unter Zeitdruck gesetzt, weshalb man auch vom Zeitdruckeffekt spricht.
Der Sofortkauf-Button auf Ebay suggeriert beispielsweise: Wenn du dich nicht schnell genug entscheidest, könnte das Produkt weg sein, oder aber schlicht und ergreifend teuer werden, als wir es jetzt anbieten! Auch Amazon ist in Sachen Verknappung aktiv, wenn etwa auf der Übersichts- oder Produktseite angegeben wird, in welcher Menge das Objekt der Begierde noch verfügbar ist. Selbstverständlich hat diese Angabe auch rein praktischen Wert. Der psychologische Effekt der Verknappung dürfte aber sicherlich gerne mitgebucht werden!
6. Platzierungseffekt
Ein im Offline- wie auch im Online-Sektor gern genutzter „Trick“ ist es, einen sogenannten Ankerpreis als Katalysator für die Entscheidungsfindung zu nutzen. Hierbei macht man sich den Effekt zunutze, dass verfügbare Umgebungsinformationen unbewusst Einfluss nehmen auf eine Entscheidung / eine Wahrnehmung, ohne dass diese Informationen eigentlich von Relevanz wären.
Ein gutes Beispiel lässt sich in Supermärkten beobachten. Wir nehmen dieses Beispiel, da es in vielen Märkten sicherlich leicht nachzuprüfen ist. Nehmen wir an, Sie haben als Marktleiter zwei Weine im Sortiment (OK, recht kleines Sortiment… soll aber auch nur ein Beispiel sein). Einen für € 6,- und einen für € 9,50. Gerade Konsumenten, die sich wenig(er) mit Weinen auskennen und grundsätzlich günstig einkaufen wollen – was auf die meisten Menschen zutreffen dürfte – werden sich in diesem Falle für den 6 Euro Wein entscheiden. Nehmen wir weiter an, dass die Gewinnspanne des Weins für € 9,50 um 25 Prozent höher ist als die des billigeren Produkts und Sie somit ein berechtigtes Interesse daran haben dürften, mehr von dem teuren Traubensaft an den Mann oder die Frau zu bringen. Aus dem Programm nehmen wollen Sie den günstigen Wein jedoch ebenso nicht, da Sie Konsumenten, die strikt günstig einkaufen, natürlich nicht verprellen sondern ebenso bedienen wollen. Gemäß dem Motto: „lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Also bedienen Sie sich des sogenannten Platzierungseffekt (auch Kompromisseffekt genannt):
Indem Sie neben den Wein für € 9,50 einfach noch ein weiteres Produkt stellen, welches sich preistechnisch deutlich von dem zweitteuersten abhebt, suggerieren Sie den Konsumenten in etwa folgendes: Der Wein für € 22,50 ist ein Spitzenprodukt. Teuer, aber ein Spitzenprodukt. Der Wein für 6 Euro ist ein Schnäppchen aber in der Breite der vertretenen Qualität eben auch am linken Rand angesiedelt.
Der Wein in der Mitte wiederum vereint sozusagen beide Benefits: Er gehört eher dem höheren Preissegment an (ist also nicht „billig“), gleichzeitig aber bei Weitem nicht so teuer wie das Spitzenprodukt. Die meisten Konsumenten werden sich in diesem Falle tatsächlich für den Wein mittleren Preisnieveaus entscheiden, obwohl Sie sich ohne die Umgebungsinformation in Form des Ankers (Wein für 22 Euro) für die günstige Variante (6 Euro) entschieden hätten.
Die Platzierung des teureren Weins, der hierbei lediglich als Katalysator fungiert, beeinflusst die Kaufentscheidung hierbei maßgeblich. Man spricht deshalb auch vom Platzierungseffekt.
Den Ankereffekt werden Onlineaffine kennen, oder ihm zumindest schon mehrmals begegnet sein. Gerade wenn es darum geht ein Softwareprodukt (eine Lizenz) zu erwerben kennen Sie das vielleicht: Es gibt meist eine kostenlose Variante, eine Einsteigerversion, eine hervorgehobene Version mit deutlich mehr Funktionen und eine Version, die sich preislich deutlich von allen anderen abhebt. Ein Beispiel finden Sie etwa bei SEMrush. Ob der Ankereffekt in diesem oder einem anderen Falle gezielt angewendet wurde, oder die Preisgestaltung rein zufällig ist wie sie ist, kann natürlich nicht abschließend festgestellt werden.
8. Kaskadeneffekt
Oftmals trifft man auf Preislisten, bei denen das günstigste Produkt oben, das teuerste Produkt unten angesiedelt ist. Aus Sicht der Preispsychologie ist eine solche Vorgehensweise jedoch grundverkehrt. Konsumenten tendieren dazu, sich eher für Produkte zu entscheiden, die in einer Preisliste ganz oben aufgeführt werden!
Gerade in Restaurants kann man dieses Verhalten bei der Preisbildung / Auszeichnung oft beobachten: Das günstigste Nudelgericht findet man oben, das teuerste unten. Dabei sollte es aus Erkenntnissen der Marktforschung heraus wie gesagt genau umgekehrt sein. Auch im Online-Vertrieb sollte dieser Punkt nicht aus den Augen verloren gehen.
9. Komplettpreiseffekt, bzw. Mengenpreis
Ein uraltes Prinzip verbirgt sich hinter dem Komplettpreiseffekt. Hierbei werden Produkte gebündelt in gewissen Mengen angeboten.
Nehmen wir an ein Kunde ist etwa auf der Suche nach einer – wohlgemerkt einer (!) – Boxershort und grundsätzlich bereit hierfür 15 Euro auszugeben. Nehmen wir weiter an, der Anbieter hat eine Short für 15 Euro (Einzelpreis) im Programm, wobei die Short 8 Euro im Einkauf kostet. Bietet er nun einmal die Short einzeln an (für 15 Euro) und ein weiteres Mal einen Dreierpack der gleichen Short für sagen wir 33,99 Euro, so werden sich viele Kunden für den Dreierpack entscheiden, obwohl sie eigentlich nur eine Short kaufen wollten. Der Nettogewinn läge dann beim Dreierpack vereinfacht gesagt bei € 9,99. Hätte der Kunde hingegen wie geplant nur eine Short gekauft, läge sein Nettogewinn bei lediglich 7 Euro (Lagerkosten seien hier ausgeblendet, wobei sich höheren Lagerkosten wiederum Mengenrabatte beim Einkauf der Ware gegenüberstellen).
Abschließende Preisbildungsstrategien im Online-Handel
Welche „Tricks“ und Erkenntnisse der Psychologie ein Händler im Online-Vertieb anwendet, bleibt jedem natürlich selbst überlassen. Es sollte jedoch unbedingt darauf hingewiesen werden, dass gewisse Preisbildungsstrategien auch Fallstricke bieten.
Gerade die Dynamisierung von Preisen (Stichwort Big Data) welche auf Informationen fußt, die der Händler über Interessenten oder bereits bestehende Kunden im Zuge deren Nutzung des Internets hat, oder auch Strategien, die auf eine regelrechte Täuschung der Konsumenten (Zwischenpreise, Endpreise, versteckte Zusatzkosten) hinauslaufen sind nicht nur ethisch-moralisch, sondern insbesondere auch vor dem Hintergrund von Recht und Verbraucherschutz überaus kritisch zu beurteilen!
- Treffbesteck: SEO, SEA, SOCIAL!
- Impressum / Datenschutz
- Wo: Virtuell, ansonsten Ochsenfurt am Main
- Für Sie da: Mon-Fr 09:00 - 18:00