Dialog & Akzeptanz: Markenkommunikation im Internet

Evolution der Markenkommunikation

Umso mehr Rinder man im Stall hat, umso schwieriger wird es, diese optisch auch tatsächlich zuordnen zu können. Einem Rind das Brandzeichen auf die Haut pressen um im Zweifelsfalle dem Sheriff beurkunden zu können: Dies ist tatschlich mein Rind. Einwände des nachbarlichen Ranchers zwecklos. So begann einst in Nordamerika die Geschichte der Marke, des „Brandings“, die in der modernen Markenkommunikation konsequent fortgeschrieben wurde.

Markenkommunikation im Zeitalter des Internets

Jede Geschichte hat ihren Anfang. Sicherlich auch ein Ende. Und gewiss ein Zwischenstück. Nach der Ära der Offline Welt mit Katalog, Litfasssäule, Postwurfsendung, Radio & TV, Multiplexkinos, Product Placement und Corporate Lands schwappte in den vergangenen 10 Jahren eine Digitalisierungswelle bzw. ein digitaler Tsunami in die Marketingetagen der Unternehmen. Dieses neue Entwicklung war gewaltiger als alles was Trendforscher und Experten – zumindest diejenigen, welche im Internet die Zukunft auch tatsächlich erkannten – hätten vorhersagen können.

Das neue Zwischenstück Internet stellt eine Zäsur in der Evolution des Lebensraums der Marke und deren Bedeutung und Resorption durch die Konsumenten dar, welche Brandmanager und ganze Unternehmen zum radikalen Umdenken zwingt, bzw. zwingen wird.

Die Marke in einer offline Welt

Um die Veränderungen im Lebensraum von Marken besser verstehen zu können muss man sich zumindest kurz noch einmal vor Augen führen, wofür die Marke vor dem Internet stand und wie das Brandbuilding einst funktionierte.

In einer Welt, in der kaum echte Produktinnovation am Markt glänzen sondern Verbesserung, Nachahmung und Anreicherung den Markt für sowohl Produkte als auch Dienstleistungen bestimmen, wird es zunehmend wichtig dem eigenen Produkt etwas Transzendenz einzuhauchen. Etwas, das sich im Moment der Wahrheit im Käufer (B2C) abspielt, im Einkauf (B2B). Auf jeden Fall eine Art Vertrauenskonto für das Produkt. Etwas, das im Kauf und darüber hinaus über die eigentliche Essenz des Produkts oder der Dienstleistung hinweg auf den Entscheidungsprozess (zusätzlich) positiv einzuwirken vermag.

In die emotionale Differenzierung und Aufladung, das passende Storytelling bis hin zum Versuch der Verdinglichung der Konsumentenpsyche (Stichwort Neuromarketing) wurden (und werden) in der Vergangenheit daher über verschiedene Kommunikationskanäle wie Radio, Fernsehen, Sponsoring und vieles mehr große Summen investiert, um dem eigenen Rind den Markenstempel im Vergleich zur Konkurrenz am effektivsten aufdrücken zu können.

Die Kommunikationsempfänger ihrerseits werden in diesem Sinne mit entsprechenden Botschaften und entsprechender Schlagzahl in Touch gehalten mit der Brand, bis sich die Markenbotschaft tief in deren Bewusstseins-Autopiloten gegraben hat.

Der Gegenwert einer solch gezielten Markenstrategie in einer Welt aus weitestgehend austauschbaren Produkten war und ist riesig. Teilweise nur schwer mess- und bezifferbar, aber dennoch allgegenwärtig. Um nur einige Benefits der Marke zu nennen:

  • Dominante Rolle im relevant Set (pre-sales)
  • Möglichkeit des Imagetransfers auf andere, neue Produkte und Dienstleistungen und damit erleichterte Sortimentserweiterung
  • Positives Nachkaufverhalten („Vergebungspotenzial“), Kundenbindung (Markenloyalität)
  • Bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Einzelhandel
  • Geringere Preiselastizität der Nachfrage und vieles mehr

Markenbildung im Internet

Im klassischen Marketing und damit in der offline Welt war der Markeninhaber der dominante, bzw. weitestgehend alleinige Sender der dafür sorgte, dass die Markenbotschaft entsprechend kursierte und aufgebaut wurde.

Im Internet 2.0 hat sich ebendies gravierend verändert.

Die Marke ist eine Geschichte, ein Versprechen, ein persönliches Accessoire für die Konsumenten. Während die Inhalte im Fernsehen oder im Radio oder wo auch immer im klassischen Bereich gesteuert werden, ist das Internet ein offenes System. Zwar herrscht auch hier eine ungleiche Verteilung von Informationen und Möglichkeiten. Letztendlich wächst aber zumindest mit den digital Natives eine Konsumentengruppe heran, die in ihrem Verhalten komplett anders tickt als das, womit es Markenbotschafter jahrzehntelang zu tun hatten.

Der neue Konsument – um es wirklich kurz zu machen – resorbiert, spricht mit, lästert, entfolgt, ist investigativ und lenkt. Auch der „alte Konsument“ ist selbstverständlich vorhanden. Noch immer nehmen Sie und ich schließlich jeden Tag tausende Werbereize ganz unbewusst auf ohne hierauf einwirken zu können oder zu wollen. Doch überführt sich diese alte, passive Konsumentenrolle im Sinne der Markenbildung zunehmend in eine wenn nicht selbstbestimmende dann doch zunehmend mitbestimmende Rolle.

Vor allem die jüngere Zielgruppe, für die Internet und mobile die wichtigsten Unterhaltungs- und Informationsmedien geworden sind, bestimmt immer häufiger, welche Botschaft sie überhaupt an sich heranlässt und vor allem: Mit welcher Sie bereit ist, aktiv zu interagieren. Denn Reize alleine bringen in einer Hyper-Reiz-Welt kaum noch Erfolg. Es geht um echte Aktivierung, Interaktion und Anerkennung.

Und wird einerseits auf Konsumentenseite bestimmt, mit welchen Botschaften man sich außeinandersetzen will, so wird umgekehrt zumindest teilweise ebenso bestimmt, wen man vor die Tür schickt. Egal ob man auf Facebook einer Marke entfolgt, über Twitter eine entsprechend negative Botschaft inklusive passendem Hashtag verschickt, einen Bannerblocker aktiviert oder bewusst dem Youtubechannel von Marke B und eben nicht dem von Marke A folgt.

Im Kino wird kaum jemand die Augen schließen, wenn eine Marke per Spot in sein Bewusstsein und Unterbewusstsein dringen will. Zwar kann beim Fernseher gezappt werden, doch war dies selten eine wirklich fruchtbare Strategie um sich als Konsument vor entsprechenden Werbereizen zu schützen (kein Zufall: Werbepausen wurden auf Senderebene entsprechend angeglichen). Diese Liste ließe sich noch viel weiter fortsetzen. Im Internet aber bin ich als User die dominante Markenkomponente im Sinne des „externen“ Faktors Mensch. Ich bestimme weitestgehend.

Der neue Konsumente redet also mit. Wortwörtlich. Damit wird dem Markeninhaber ein großer Teil seiner Markenautarkie entzogen. Er ist heute mehr denn je auf den Empfänger der Botschaft angewiesen. Nicht nur im Sinne der Bereitschaft zu empfangen sondern auch in dem Sinne, dass es für die Marke nichts Wichtigeres und Bedeutungsvolleres gibt als entsprechende Markenbotschafter zu gewinnen. Sei es in Form von privaten Fanpages, entsprechenden Fürsprechern in Youtubechannels oder einfach nur Twitterposts die eine positive Aufmerksamkeit erzeugen.

Der neue Lebensraum der Marke – Chancen und Risiken

Für das Brand Management ergeben sich aus diesem neuen Lebensraum neben Risiken auch Chancen. Das Hauptrisiko für Marken besteht schlicht und ergreifend darin, diesen neuen Lebensraum nicht zu akzeptieren und auf althergebrachten Pfaden wandeln zu wollen.

Somit gilt: Die sich aus den neuen Gegebenheiten ergebende Chancen zu verpassen, stellt den größten Stolperstein für moderne Markenkommunikation dar. Das darüber hinaus größte Risiko für Markeninhaber wird es zukünftig sein, im Hintergrundrauschen des Internets komplett unterzugehen. Hier muss eine klare strategische Ausrichtung im Internet dafür sorgen, dass das eigene Problemlösungsangebot am Point of Interest (Internet) in der Breite vertreten ist.

Wie steht es nun um die Chancen? Zuerst einmal bietet der neue Lebensraum für Konsumenten eine Chance. Da jede Marke authentisch sein muss und will, wird die Crowd zunehmend die Marke und damit potenziell auch das Qualitätsversprechen, das in einer Marke steckt / stecken soll, mitbeeinflussen. Um diese Entwicklung für die eigene Marke fruchtbar gestalten zu können, müssen die Unternehmen zuhören können und gewillt sein, entsprechend zu reagieren. Auch Transparenz und kritischer Umgang mit eigenen Schwächen werden hier eine immer wichtigere Rolle spielen. Das Internet öffnet die Tür zur realen Umsetzung eines Paradigmas, welches sich Unternehmen schon lange auf die eigene Fahne schreiben: Der Kunde sollte auch mit Blick auf die Marke tatsächlich im Kern des Handelns stehen.

Darüber hinaus werden sich massiv Wettbewerbsvorteile für die Markenbotschafter und somit Unternehmen ergeben, welche den neuen Lebensraum der Marke gezielt zu nutzen verstehen. Gezielt heißt aber eben nicht, Botschaften primär per Push verbreiten zu wollen. Gezielt bedeutet, Botschaften im Dialog mit den Usern Leben einzuhauchen. Botschaften zu „ent-managen“. Dies wiederum wird selbstverständlich eine riesige Herausforderung für die Unternehmen darstellen, da die Markenbotschaft künftig zwar auch kreiert, vor allem aber auch gesteuert werden muss. Aus Brand Management muss somit im (Online-)Marketing eine gelebte Brand Communication werden.

Um dies zu erreichen, müssen soziale Medien, Youtube oder das eigene Content Marketing so ausgestaltet sein, dass ein wirklich offenes System entsteht auf einem Boden, der die Markenbotschaft nachhaltig tragen und dafür sorgen kann, dass keine destruktive Interferenz entsteht. Eine erfolgreiche Marke wird sich im Internet zukünftig dann zeigen, wenn Markeninhaber und Publikum / Konsumenten in einen positiv-emotionalen Dialog treten, der die Möglichkeiten zur Interaktion und Rückkopplung in beidseitigem Interesse effektiv nutzt.

Online Brand Management: Kernstrategien

Viele und gerade jüngere Interessenten werden künftig überhaupt das erste Mal online mit der eigenen Marke in Kontakt treten. Für etablierte Marken, die in der offline Welt ihren Claim in den Konsumentenköpfen abgesteckt haben, wird das Internet deswegen nicht weniger kritisch. Das Internet erodiert teilweise die Markenerfolge der Vergangenheit. Das „relevant Set“ wird aufgeweicht. Der Marktplatz Internet ist derartig riesig und vor allem leicht zugänglich, dass selbstredend neben das Augenmerk Botschaft auch ein intensives Augenmerk auf die Zugänglichkeit und Präsenz der Marke gelegt werden muss.

Hier schließt sich der Online Marketing Kreis: Brand Communication ist Online Marketing Kommunikation: Von der initialen Zugänglichkeit über den Dialog bis hin zur (gelebten) Akzeptanz. Um dies zu erreichen, sollten Online Markenmanager keinen der folgenden Kanäle unterfüttern.

  • Am Anfang steht Google: Die meisten Internetsitzungen beginnen mit einer Suche auf Google (zumindest hierzulande). Nun ist es selbstverständlich, dass das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung dann auch „möglichst weit oben“ in der Ergebnisliste steht (für mobile gilt das tatsächlich sogar noch ein Stück mehr als für die Desktopsuche). Darüber hinaus ist aber auch die Suche nach der Marke ins Kalkül zu ziehen. Sehr viele User geben nicht die Markendomain in den Browser ein, sondern googeln die Marke selbst. Zu erreichen, dass die eigene Marke dann auch tatsächlich ganz oben steht, wird eher selten das Problem sein. Aber wie sieht es mit dem „Umfeld“ in der Trefferliste aus? Welche Botschaften über Marke und Unternehmen sind dort zu finden?
  • Social Media: Ja natürlich. Social Media. Vielleicht wird die Frage künftig aber vor allem sein, auf welchen sozialen Netzwerken man aktiv ist. Marktbeobachtung wird hierbei an Bedeutung gewinnen.
  • Email: Oftmals verkannt, ist die Email eines der effektivsten Mittel, um die eigene Botschaft an den Mann / die Frau zu bringen. Im Sinne der Marken Kommunikation ist die Email jedoch in keinster Weise Verkaufsinstrument sondern Markenbindungsinstrument. In eben diesem Sinne sollte die Email auch (primär) eingesetzt werden.
  • Displaywerbung: Die klassische Bannerwerbung im Internet wird niemals aussterben. Ihr Brandingeffekt ist nach wie vor gegeben. Allerdings wird dieser Effekt aus weiter oben genannten Gründen zunehmend kleiner. Der Erfolg einer Brandingstrategie über Banner wird künftig in der richtigen Auswahl des Kanals und der Zielgruppe liegen. Gepaart mit klassischem Story Telling. Nun mag man denken: „Also alles wie immer“? Der Unterschied muss sein, Displaywerbung gezielt einzusetzen und nicht mit allen Mittel eine wennmöglich 100% Abdeckung zu erreichen. Denn Displaywerbung kann auch nerven und zu Reaktanz führen. Gerade auch im Internet. Die richtige Plattform, der richtige Kanal, die richtige Zielgruppe, Nutzung von Frequency Capping, das richtige Format und selbstverständlich die richtige Darbietung und Botschaft – all dies wird zur Pflicht. Über diese Strategie kann Displaywerbung zudem effizienter werden was den Mitteleinsatz anbetrifft, indem flankierend die Klickraten erhöht werden.
  • Vernetzung mit Offline Medien: Brand Communication muss zum Ziel haben, die „dimensionale Distanz“ zwischen online und stationär so weit als möglich zu eliminieren. Die Markenbotschaft muss gezielt einheitlich gestaltet werden. Hier sei also ganz klar die Online-Offline-Vernetzung der Corporate Communication angesprochen. Oder wie Google es kürzlich an anderer Stelle formulierte: Kommunikation muss Nonline erfolgen.

Ein langes Schlusswort braucht es an dieser Stelle eigentlich nicht. Wer akzeptiert, dass aus Brand Management Brand Communication werden muss, der hat den ersten Schritt in eine erfolgreiche Online Markenstrategie bereits vollzogen.

Interessiert? Fragen kostet nix.